Back to the UdSSR

3.5.25

 Julian:

 Caro und ich haben uns endlich wieder! Nachdem wir einen Monat lang getrennt voneinander gereist sind, haben wir uns vor ein paar Tagen in Taschkent wieder getroffen. Es ist sehr schön, endlich wieder die Reiseerlebnisse mit jemandem teilen zu können! 

Wir haben uns mittlerweile angewöhnt, ein paar Recherchen anzustellen, bevor wir in ein anderes Land reisen. Für mich bedeutet dass vor allem zwei Dinge: welches Visum man evtl. braucht und wie stark oder schwach die hiesige Währung ist. Das gibt in der Regel Aufschluss darüber, wieviel Geld man für einen Monat Aufenthalt so brauchen wird. Der usbekische Som liegt gegenüber dem Euro bei etwa 14.000, also eigentlich sehr schwach. Ich habe also ein eher armes Land erwartet, in dem die Preise mit Uganda, Thailand etc. vergleichbar sind. Doch weit gefehlt: Taschkent ist eine überraschend aufgeräumte und gut organisierte Stadt, die es mit jeder westlichen Metropole aufnehmen kann! 

Entsprechend westlich sind auch die Preise hier 😉

Eine spannende Sache ist Caro und mir schon sehr bald aufgefallen: Die ganze Stadt wirkt, als wäre sie in den 70er Jahren in der Zeit stehen geblieben. Die alte Architektur, der Kleidungsstil der Leute... man glaubt sogar noch Nachklänge der alten Sowjetunion wahrnehmen zu können. Auf allen Staatsgebäuden prangen große, steinerne Embleme, die Glanz und Glorie der Nation bekräftigen sollen. Die Polizistinnen sehen aus wie aussortierte Kugelstosserinnen, die Herren tragen hier alle Anzughose und Hemd, in der Hand stets ein kleines, ledernes Herrentäschchen. 

Wir konnten auch schon jede Menge usbekische Kultur erfahren. Das Nationalgericht hier ist Plov, bei uns auch Pilaw genannt. Eine Reispfanne mit Fleisch, die in sehr großen Woks über Holzfeuer gebraten wird. Und auf dem alten Markt waren wir auch bereits, dort werden allerlei Nüsse, getrocknete Früchte und Gewürze verkauft. Und Fett direkt von der "Schweinebacke" :


Nichts Neues in Beshariq

6. Mai

Caro:

Von Tashkent aus haben wir uns mit einem "shared taxi", einem kleinem Auto mit 3 usbekischen Bären und uns, auf den Weg nach Beshariq gemacht, ganz im Eck von Usbekistan. Dabei haben wir ein kleines Gebirge mit schneebedeckten Gipfeln überfahren. Als wir nach guten 5 Stunden in Beshariq ankamen, wars da aber auch so heiß wie in Tashkent, über 30 Grad. Bei der Einfahrt in die Provinz Fergana haben wir ein Begrüßungsbrot bekommen. Das Naan gibts hier überall und ist super lecker.

In Beshariq wohnen wir bei Nasiba, einer Englischlehrerin. Zusammen mit zwei anderen Volunteers helfen wir ihr beim Englischunterrichten in einer Schule im Ort. Die Schüler haben unterschiedlichstes Niveau, aber einige bereiten sich auf den sog. IELTES Test vor, mit ihnen kann man sich sehr gut unterhalten, sie sind auch sehr neugierig und offen. Die Unterrichtsmethodik ist für uns Deutsche mal wieder ungewöhnlich, ständig laufen ältere Schüler rein und raus, helfen mal mit oder chillen einfach oder unterhalten sich mit der Lehrerin. Und Karaoke-Singen ist ein beliebter Zeitvertreib im Unterricht. In zwei Wochen beginnen hier aber die Sommerferien, vielleicht ist deshalb nicht mehr so Stoff angesagt. 
Das Haus von Nasiba ist sehr groß und schaut noch aus wie vor 50 Jahren. Das Dorf an sich finde ich irgendwie ganz hübsch, sehr sauber, sehr gepflegt. Von der Straße aus sieht man nur große Tore, dahinter ist jeweils ein großer Innenhof und das Wohnhaus, das Plumpsklohaus und Tiere, wenn es welche gibt. Und eine Hauptstraße mit Geschäften gibt es in dem Ort, vor allem Handygeschäfte, Apotheken und Brautmoden. Mehr braucht man nicht. 
Bei Nasiba ist ständig was los, Oma und 2 Söhne leben hier auch, ausserdem kommen ständig ihre Verwandten, Brüder und Nachbarn vorbei und Schüler kommen zu Besuch und sitzen ein bisschen mit rum. 

Zum Frühstück gibt's jeweils ein hartgekochtetes Ei und Brot und zum Abendessen Suppe und Brot. Oder Plov und Brot.  


All you need is Plov

8. Mai

Caro

Ich habe heute einen Masterkurs im Zubereiten von Plov bekommen, DAS Nationalgericht in Usbekistan. 
Überraschenderweise ist das das einzige Gericht, das man hier auch vegetarisch essen kann. 

So gehts: 

Karotten schälen und Streifen schneiden (die Karotten hier sind gelb und so groß und dick wie Kartoffel)

Riesen Topf auf den Ofen (wir haben gleich für 10 Leute gemacht, das Rezept ist für 4-5), das ist auch das einzige an Geschirr, das man braucht. Praktisch!
Öl in den Topf schütten (viel!) und Zwiebel frittieren. Kartoffeln für die vegetarische Variante dazu oder 200g Fleisch. 
Wenn die Zwiebeln schön braun sind kommen die 0,5 kg Karotten dazu. Und großzügig Salz.

Das lässt man schön schmoren, bis alles eine braune Suppe ist. Noch ein bisschen Wasser dazu.

Dann kommt 0,5 Kilo Reis dazu.  Kümmel drüber, that's it. 
Der Reis saugt das ganze Wasser auf, dann deckt man es zu und lässt es köcheln. 
Fertig zum Essen. Dazu gibts eingelegte Tomaten mit Saft, Tomaten-Gurkensalat und natürlich Brot. Ganz traditionell essen alle aus einem Topf oder Teller. Minimiert das Abspülen.
Das muss man hier schnell machen, weil ab 21 Uhr kommt kein Wasser mehr aus dem Hahn. 

Wir haben auch schon einige andere super leckere Sachen gegessen. Mein Favorit: Kompot. Das ist sowas wie Kirschlimonade. Schmeckt ein bisschen wie der Saft von eingelegten Kirschen. Das gibts nur in den Restaurants selbst gemacht und schön gekühlt. Lecker!

Überdosis Kultur 

13.5.24

Julian:

- In den letzten Tagen haben wir sehr viel über usbekische Kultur gelernt und erfahren. Vieles davon, wie auch in den anderen Ländern, hochinteressant und spannend, besonders im Vergleich zu Deutschland. Hier in Usbekistan bekommen wir jedoch einen immer tieferen Einblick in die vielen Schwierigkeiten und Probleme, mit denen die usbekischen Frauen zu kämpfen haben. Nasiba erzählte uns von ihrer arrangierten Ehe mit einem Mann, der sehr Gewaltbereit ist, mittlerweile zum zweiten Mal im Gefängnis sitzt und sie bereits mehrfach bedroht hat. Die extrem patriarchalischen Strukturen hier sind für das Leben einer (Ehe-)Frau sehr belastend. Und der meiste Druck kommt überraschenderweise nicht von den Ehemännern, sondern von den Frauen der Familie, Mutter, Schwiegermutter, Geschwister... 

Ein Beispiel: Nach der Hochzeit werden Mann und Frau in einem Zimmer mehr oder minder eingesperrt und haben dann drei Tage Zeit, um ihre Ehe zu vollziehen. Die Mutter des Ehemannes wohnt in der Zeit im Zimmer nebenan und sorgt dafür, dass beide wohlgenährt sind und nicht abhauen. Als Beweis der vollzogenen Ehe muss dann das blutige Laken der Schwiegermutter präsentiert werden, die dann die beiden in ihre Ehe entlässt. 

Damit enden die Strapazen aber nicht: die Frau ist klassischerweise für den Haushalt zuständig. Hat sie aber dummerweise einen faulen Mann geheiratet, der kein Geld ranschafft, muss sie zusätzlich arbeiten gehen und gibt das Geld Zuhause ihrem Mann und/oder der Schwiegermutter. Wird die Hausarbeit nicht zufriedenstellend erledigt, schimpfen Schwiegermutter und Schwägerinnen - man könnte meinen, man befände sich in einer Verfilmung von Aschenputtel, nur sitzt der Prinz den ganzen Tag zuhause und kommandiert seine Frau durchs Haus... 

Diese althergebrachten "Traditionen" haben zur Folge, dass der Umgang von uns Ausländern mit Frauen teilweise kritisch beäugt wird. Es ist schwierig für mich, nett zu einer Frau zu sein, ohne ihr nach usbekischen Maßstäben zu nahe zu treten und ihr damit Probleme zu bereiten. Auch mein Körperkontakt mit Caro in der Öffentlichkeit ist auf ein Minimum zurückgegangen, da die zur Schau Stellung von Gefühlen als Affront aufgefasst wird. 

Auch erleben wir immer häufiger, dass sich Frauen wie Nasiba oder ihre Verwandten uns in Abwesenheit ihrer Männer öffnen und uns von ihren psychischen Problemen erzählen - Angstzustände, Depressionen, psychische und physische Misshandlung... schon harter Toback, besonders wenn man als Außenstehender machtlos ist etwas dagegen zu unternehmen. 

Ich will aber hier nicht den Eindruck vermitteln, als würden wir nur negative Erfahrungen machen. Nasiba ist eine unglaublich liebevolle und zuvorkommende Gastgeberin, und auch ihre SchülerInnen nutzen jede Gelegenheit um Zeit mit uns zu verbringen. Insgesamt spürt man bei der jungen Generation ein Umdenken, viele Mädchen lernen Englisch bei Nasiba, mit dem Ziel zu studieren und ins Ausland zu reisen. Von Ehemänner ist in den Gesprächen nur selten die Rede 😊

Gestern feierten wir Nasibas Geburtstag, es gab Plov (natürlich) und jede Menge Süßigkeiten. Und es wurde Macarena getanzt - das scheint es auch auf der ganzen Welt zu geben! 

Eine Sache, an die ich mich allerdings noch gewöhnen muss, ist das "Offene Haus" Konzept, dass hier zu herrschen scheint. Nasiba wohnt im Elternhaus, das klassischerweise an den Brüder ging, zusammen mit ihrer Mutter. Vor zwei Monaten kam dann anscheinend der Sohn des anderen Bruders, nistete sich in einem der Zimmer ein, und verbringt seither seine Tage damit zu schlafen, Tik Tok zu schauen und das Essen zu essen, das Nasiba kocht. Dann, vor ein paar Tagen kam eine Nichte von Nasiba mit ihrem kleinen Baby, sie hatte Streit mit ihrem Mann. Sie belegte ein Bett und verbrachte etwa eine Woche damit ihr Kind zu bespaßen und das Essen von Nasiba zu essen. Und jeden Tag bewegen sich Menschen durch das Haus, als würden sie hier wohnen, sitzen im Wohnzimmer, nehmen sich Essen aus dem Kühlschrank (auch unser Essen selbstredend), und gehen wieder. Einmal wollten wir in unser Zimmer gehen, da saßen Nasiba und ihr großer Bruder auf unserem Bett und plauderten. Als Begründung hieß es, es sei kein anderes Zimmer frei. Also mussten wir uns eine Stunde in den Hof setzen, bis unser Zimmer wieder frei war... 


tug'ilgan kun - Geburtstagsfeier auf usbekisch

14.5.25
Caro: 

Unsere Gastgeberin Nasiba hatte Geburtstag- ihren 39sten! Da gabs natürlich ein großes Fest. Und da sie in letzter Zeit durch die ganzen Verwandtenprobleme und - belagerungen etwas gestresst schien, haben wir Workawayer sie vorher zu einem kleinen Wochenendausflug eingeladen. Es ging nach Fergana, eine größere Stadt im Ferganatal und eines der Zentren für Keramik und Seidenweberei. 
Der Weg dahin war sehr spannend, wir fuhren durch Aprikosen-Anbaugebiet. Wer hätte gedacht, dass Usbekistan ein großer Produzent von Aprikosen ist? Wir haben uns bei einem Straßenstand auch welche gekauft - sehr sehr süß und fruchtig. Und nicht weit von der Straße erstreckte sich eine Wüstenlandschaft, hinter der schon Tadschikistan ist. 

Das Highlight in Fergana war der Pool des Hotels, in dem der Voluntär Yanouk Giorgi, dem Sohn von Nasiba, das Schwimmen beigebracht hat. Öffentliche Schwimmbäder sind hier nicht so weit verbreitet, das war also eine besondere Gelegenheit. 

Nasiba spielte für uns auch den Touri-Guide und zeigte uns eine Seidenweberei, in der in Handarbeit zuerst die Seide hergestellt und dann die traditionellen sehr farbenfrohen Stoffe gewoben wurden. Die Spinnerinnen waren sehr von uns und vor allem von Yanouk angetan und haben uns angehalten, gerne auch die getrockneten Seidenraupen zu essen - sehr proteinhaltig!  

Weiter gings zur Keramikwerkstatt. Hier hatte auch Nasibas Mutter gearbeitet, wo sie von der Schwester ihres zukünftigen Ehemannes beim jährlichen Keramikeinkauf als gute Heirats-Kandidatin entdeckt wurde.

Das usbekische Porzellan ist sehr farbenfroh und fantasievoll bemalt oder mit kleinen Punkten, die ein Muster ergeben, verziert. Ich hätte so gerne eingekauft, aber wie hätte ich das nach Hause gebracht?

In Kokand ist der ganze Palast mit Keramikfliesen bestückt - ich bin ganz begeistert von diesem Stil. Da kann man sich vorbeiziehende Karamelkarawanen bildlich vorstellen. 
Zu einem guten Tag gehört hier natürlich auch ein zünftiges Essen. Unser Taxifahrer hat uns in ein besonderes Lokal geführt.  Das war ein Gelage! In den meisten usbekischen Restaurants bekommt man Brot, Joghurt, Chillisoße, Salat und Tomaten automatisch dazu. Alleine damit könnte man sich schon satt essen.
Zum Geburtstag hat Nasiba zum Abendessen geladen - ihr Bruder machte auf Holzfeuer "special plov" und viele Schülerinnen kamen um zu helfen, die Tafel vorzubereiten und natürlich mitzufeiern. Es gab Unmengen an Plov, Früchten und Süßigkeiten (die es sonst eigentlich nie gab), Musik von Gaststar Julian und viel Tanz. Erstaunlich sinnlichen Bauchtanz- wahrscheinlich aber nur weil ausser den sowieso unmännlichen Ausländern keine Männer anwesend waren. Ich war etwas gehemmt mich in der Umgebung von Nasibas großer Schwester, die mich im Vorfeld gescholten hatte, weil ein kleiner Schlitz in meinem Kleid mein Knie offen zeigte, allzu ausschweifend zu bewegen. Aber man hat deutlich gesehen, wie sehr es Nasiba und den Damen gefallen hat, aus sich rauszugehen. Und sie haben uns usbekischen Volkstanz gezeigt, sehr elegant, viel Geschwinge mit der Hand, wahrscheinlich weil das der einzige Körperteil ist, den man sehen darf, dementsprechend wird er bestmöglich eingesetzt. und wir wurden endgültig fans des Hits kok'jigoli.


Tägliches Leben und Arbeiten
 
 
15.5.25

Caro:
In unseren Tagen hier hat sich schon eine Routine eingestellt: Morgens gekochtes Ei und Tee, ab in die Schule, etwas Unterrichten, ab zum Stammwirtshaus, zurück in die Schule, nach Hause und auf Klo. 
In den Tutoring-Klassen haben wir oft Konversation betrieben- face to face oder in kleinen Gruppen. Das hat mir am meisten Spaß gemacht und da konnte ich auch etwas beitragen. In anderen Stunden haben wir mit dem Buch gearbeitet oder Englischlernspiele gemacht, da habe ich korrigiert und versucht, Ruhe herzustellen. Beschränkt erfolgreich. Julian war in seinem Element beim Unterrichten. Die Schülerinnen waren sehr interessiert an uns und sehr offen, einige habe ich richtig ins Herz geschlossen. 

In der Schule gab es auch eine ziemlich gut ausgestattete Kantine. Deren Kaffeeverkauf (Nescafe-Pulver-Kaffee) hat sich um ungefähr 200% gesteigert in den Wochen. Zum Mittagessen sind wir mit Nasiba und einigen Schülern immer ins gleiche Lokal. Dort war es aber auch sehr lecker und sehr günstig. Wir haben es geschafft in der Zeit die gesamte Karte durchzuprobieren. 

Einziges Minus: die Toilette. Die war nur theoretisch vorhanden, es war eine Wand auf einem Feld und dahinter einem Loch. 
Also warten, bis man zurück in der Schule war. Diese Alternative war allerdings auch nicht zu empfehlen. Es gab für alle Mädels der Schule ganze 3 "Klos". Wasser oder Spülung oder Papier gibt es nicht. Mein tiefes Mitgefühl an jede, die hier ihre Tage hat!

Allerdings habe ich kein Mädel jemals auf Klo gehen sehen, ich glaube, dass ist die Superpower der Usbeken: nur einmal am Tag auf Klo müssen!
Bei den Vergleichen kam einem der Abtritt in Nasibas Haus wie der sichere Hafen vor. Vor dem Klohäusl ist ein Wasserhahn, wo man den Spüleimer auffüllen kann und seine Hände waschen kann und sogar Papier und Papiereimer ist da.
Man gewöhnt sich ja an alles und scheinbar ist diese Situation etwas, das nicht einmal geändert wird, wenn man genügend Geld hat. 
Die Duschkammer war aber völlig ok, es gab sogar einen Boiler und kaltes und warmes Wasser.  

Während unserer Zeit hier war es unglaublich heiss, bis zu 40 Grad. Wer hätte gedacht, dass Usbekistan mit eines der heissesten Länder wird. Abends, wenn es draussen aushaltbar war, sind wir öfters durchs Dorf spaziert, dass ich irgendwie schön fand. Dabei sind wir vor allem von Kindern immer wieder angesprochen worden. Irgendwie hat man das Gefühl, hier ist die Zeit stehen geblieben. Holprige Straßen, überall Gasleitungen, alte Männer auf Fahrrädern und Frauen mit ihren Kopftüchern. 
Der Friseurbesuch hat ganze 10 min gedauert. 9 Minuten Haare glätten, 10 Sekunden mit dem Rasierer Haare einfach in einer Linie abrasieren, 50 Sekunden Bild machen. Schon schau ich aus, wie eine Usbekin! 

Und was machen die Kinder abends so? Sie spielen am Handy oder gehen in einen der vielen Läden, wo man Playzi spielen kann! Wir haben uns an Fifa gegen die Kids probiert- und hatten keine Chance! 

Das war wirklich eine unglaubliche interessante Zeit. Dieses dörfliche usbekische Leben hätten wir ohne das workaway niemals so erfahren können. Der Unterschied von der modernen Hauptstadt Tashkent zu dem Dorfleben schien mir viel größer zu sein, wie der zwischen europäischen Städten und Tashkent. 

VIP Kino der Extraklasse 

19.5.25

Julian:

- Ich gehe bekanntlich gerne ins Kino, aber nicht in allen Ländern ist das Angebot an englischsprachigen Filmen gleich groß. Hier werden die meisten Filme auf usbekisch und russisch gezeigt, aber ich halte die Augen offen und frage immer mal wieder in einem Kino nach. So auch gestern im Kino der "Minor Mall", einem netten kleinen Einkaufszentrum mit viersäligem Kino im dritten Stock. Da die Dame am Schalter kein Englisch spricht, läuft die Unterhaltung über Google Translator ab:

"Entschuldigen Sie, zeigen Sie in diesem Kino auch Filme in englischer Sprache?" 

"... Bitte warten Sie eine Minute" 

Die Dame ruft jemanden auf dem Handy an. Nach einer Weile legt sie auf und tippt:

"Wir können Ihnen die Filme aus Saal 2 und 3 auf Englisch anbieten" 

Ich schaue mir die Filme an, witzigerweise alles fremdländische Filme, alle Hollywood-Blockbuster stehen anscheinend nicht zur Auswahl. Ich entscheide mich für einen Film:

"Wann beginnt die Vorstellung?" 

Sie sieht mich etwas verwirrt an. 

"Jetzt." 

Okay, anscheinend wird der Film nur für mich abgespielt. Ich werde noch um ein paar Minuten Geduld gebeten. Dann die nächste Nachricht:

"Ihr Film ist leider nicht verfügbar. Wenn Sie in Saal 2 gehen, werden Sie von einer Liste an Filmen begrüßt." 

Okay, ich gehe also in Kinosaal 2. Und tatsächlich sieht man auf der Leinwand einige Filmposter, ähnlich wie im Netflix-Auswahlmenü. Keiner der Filme steht auf dem offiziellen Programm... Ich werde gebeten mich zu setzen und mir einen Film auszusuchen. Ich entscheide mich für "Black Bag", einen Agentenfilm mit Michael Fassbender und Cate Blanchett. Der Kinobetreiber lädt den Film schnell runter (siehe Foto), stellt Englisch als Audiospur ein, drückt auf Play und lässt mich mit einem höflichen Nicken im Kinosaal zurück. 

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Bukhara, die Oase an der Seidenstraße 

21.5.25

Caro:

Bukhara war eine wichtige Station an der Seidenstraße, mit Handwerk, Handel und Bildung. Das lässt sich in der Altstadt noch so gut erfahren. Ich war ganz verzaubert von der Stadt.
Die ganze Altstadt ist in hellen Ziegeln erbaut und es wimmelt von alten Karawansereien, zweistöckige Gebäude mit Innenhof, in denen die Karawanen damals mit ihren Kamelen untergekommen sind. Viele sind heute Restaurants oder Gasthäuser oder Geschäfte oder stehen leer. Wir haben auch in einer alten Karawanserei übernachtet. Die meisten haben einen grünen Innenhof, was sie bei den Temperaturen zum Paradies macht. Es war unglaublich heiß hier, gute 40 Grad mit etwas Wind. Der hat aber nicht geholfen, das war eher, wie wenn jemand in der Saune mit dem Handtuch wedelt. Man konnte auf jedenfall die nahe Wüste spüren. 

Daneben gibt es unzählige Medressen, das sind alte Islamschulen, mit den typischen blauen Kacheln. Einige wenige werden noch heute als Schulen genutzt, in vielen sind Geschäfte. Die allermeisten sind noch erhalten. Wenn man einfach durch die Straßen wandert stößt man unweigerlich auf eine davon. Die Tourigruppen scharen sich vor den paar großen, den Rest hat man für sich selbst.
Daneben beeindrucken noch die vielen Moscheen, die Zitadelle und sogar die alten "Handelsdome", in deren Schatten unter den Kuppeldächern die Waren geschachert wurden. Typisch hier: Teppiche, Seidenstoffe, kleine Scheren, die aussehen wie ein Vogel, und natürlich Keramik. 
Da wir so großzügig Zeit hatten, konnten wir in Ruhe auch durch die Nebenstraßen wandern, einen Keramikbemalworkshop machen und viel in Teehäusern sitzen und spielen. Zufällig konnten wir auch traditionelle Livemusik und eine Tänzerin erleben.
Ich war hin und weg von der Stadt, ich finde es so herrlich, dass die ganze Altstadt quasi noch erhalten ist und so wunderschön aussieht. Es sind natürlich viele Touris unterwegs, aber abgesehen von den 4-5 Hauptplätzen kann man sie gut meiden. Und es stimmt auch, überall sind Verkaufsstände, aber das macht eine Handelsstadt ja aus, oder? Ich stell mir vor, dass es zu Karawanenzeiten ebenso voll war und jeder etwas verkaufen oder kaufen wollte. 


Durchs wilde Usbekistan
 

24.5.24

Julian:

Caro hat für uns eine siebentägige Wanderung durch die usbekische Wildnis aufgetrieben, heute ist schon Tag drei des Abenteuers. Ich persönlich bin kein großer Fan von mehrtägigem zu Fuß Gelaufe, aber die wunderschöne Landschaft lässt einen vieles vergessen:

Der Weg führt uns die meiste Zeit durch die Berge, und man kann sich wirklich vorstellen, wie Winnetou und Old Shatterhand auf einem der Hügel hoch zu Pferd übers Land geschaut haben!

Meine erste große Überraschung war, dass hier noch sehr viele Bergbewohner auf Eseln reisen. Was bei den steinigen und engen Pfaden auch echt Sinn macht! 

Unsere Wanderung begann am Donnerstag ganz unwanderig, ein Taxi hat uns erstmal in die Berge gebracht, in ein sehr entlegenes Dorf weit ab von jeder Art von Schuss. Gedanklich hatte ich mich schon auf Toiletten wie in Beshariq eingestellt, aber Gott sei Dank sind die Gästehäuser hier bestens auf Durchreisende eingestellt, daher war auch unsere erste Unterkunft sehr schön und komfortabel:
Tag zwei, wir treffen unseren Führer Adilbek (Oder Adabek? Adelbik? Adalbert?). Mit ihm werden wir in den nächsten Tagen von Dorf zu Dorf wandern. Die erste Tour war aber eine lange Bergtour, die wieder im gleichen Gasthaus geendet hat. Rex, der Hofhund, hat das wohl gewusst, denn er hat uns ungefragt Un ungehindert die kompletten 10 Stunden und 28 Kilometer auf unserer Tour über Berg und Tal begleitet! Und abends habe ich das Spiel "Narda" gelernt, eine usbekisch-russische Vorgängervariante von Backgammon. 
Ich muss gestehen, dass es mir schwer fällt, die Schönheit der Landschaft hier in Worte zu fassen. Zwar ist alles sehr ausgedörrt, und außer den künstlich bewasserten Dörfern, die Gräben und Schläuche aus dem Bergbach legen und wie Oasen in der Steppe grün herausstechen, ist alles gelb-bräunlich und karg. Und doch strahlen die Berge eine ungemeine Seelenruhe aus, einfach nur schweigend über Bergkämme zu gehen, die Ziegenherden zu beobachten, die ihr Ding machen... Das ist schon wirklich ein besonderes Gefühl. Und wenn man Glück hat, sieht man eine Gruppe wilder Pferde, die wie in der Marlboro-Werbung über die Steppe gallopieren! 
Auch der Geruch hier ist sehr besonders, was hauptsächlich an den vielen wilden Kräutern hier liegt. Dill, Thymian, Kapern - alles wuchert hier am Wegesrand, man braucht sich nur zu bedienen!

Unser dritter Tag führte uns heute ein Dorf weiter, dieses Mal ohne Rex 😊. Eine andere Erstaunlichkeit: beinahe jeder Hof hier hat dutzende von Fruchtbäumen, hauptsächlich Aprikosen, weiße Maulbeeren und Kirschen. Und wenn man die sich nicht gerade selbst wie im Schlaraffenland vom Ast pflückt, kommt eine nette Frau aus dem Hof und gibt dir einfach einen Korb voll Früchte mit! 

Süß sind auch die Kinder hier. Achja, hab ich noch gar nicht erzählt: Obwohl wir uns hier noch weit von der Grenze entfernt befinden, sprechen alle hier nicht usbekisch, sonder tadschikisch! Ist wohl so eine ähnliche Situation wie in der französischen Schweiz hihi. Naja, mussten wir unsere Begrüßungformeln alle schnell wieder umlernen. Die Kinder freuen sich sehr, wenn man sie grüßt und ein paar Worte mit ihnen wechselt, gehen ein paar Meter mit, machen Selfies und haben generell einfach eine gute Zeit. Und das meistens ganz ohne Smartphone-Einsatz! 

Wasser: Dorf, kein Wasser: nix

28.5.25

Caro

Beim Wandern durch die abgelegenen Berge hat man so gut gesehen: Wo ein kleiner Bach oder eine Quelle ist, da sprießt ein kleines Dorf aus dem Boden, der Rest sieht aus, als würde da niemand weit und breit leben können. 
Schon erstaunlich wie findig die Leute hier sind, dass sie mit dem wenigen Wasser leben können und wie effizient sie es nutzen. Viele Häuser haben sich kilometerlange Gräben zu ihrem Grundstück gebaut, mit denen sie etwas Wasser vom Bach abzapfen. Und alle haben sie Reservoirs zum sammeln in ihren Gärten. Traurig nur, dass wegen des Klimawandels die Bergbäche immer früher und immer länger kein Wasser mehr führen. 

In einigen Dörfern, in denen wir waren, gab es kein Internet und auch keinen guten Handyempfang. Dazu musste man den Berg etwas weiter hochsteigen. Aber überall schienen die Leute ganz zufrieden zu sein und waren sehr gastfreundlich. Die Begegnungen unterwegs waren auf jedenfall ein Highlight der Wanderung. Neugierige Kinder, Schäfer, stolze Männer, die "ihr Gasthaus" vorzeigten, beschäftigte Frauen, meistens mit ein paar Kinder um sich rum und summend oder ratschend beim abspülen oder waschen. Gegessen haben wir überall sehr lecker: meistens gabs 4 Gänge-Menü: Salate, dann Suppe mit Nudeln, Gemüse oder Fleisch, dann die Hauptspeise mit Kartoffeln und Fleisch oder Plov und danach kam der allgegenwärtige Tee und die süßen Tellerchen mit Keksen, Schokoladen, Nüssen und Obst. Lecker! Meistens haben die Männer bedient und die Frauen gekocht. 
Auf der Wanderung von Dorf zu Dorf hatten wir zwischendurch auch einen Gehilfen. Wir hatten natürlich viel zu schwere Rucksäcke dabei. Die bekam dann ein Esel aufgeschnallt, der sie für uns schleppte. Er tat mir schon ein bisschen leid, aber Shrek II schien das nichts auszumachen. und Julian hat mir versichert, dass es der Esel mit unseren Rucksäcken ja noch gut hat, normalerweise muss er Plov-Plauzen tragen. Stimmt auch wieder.  
Am meisten genossen habe ich auf der Tour die unglaubliche Stille. Nur Vögel und ab und an ein Blöken oder Eselsschrei. Die Natur, die zwar irgendwie karg und schroff war, aber überall auch filigrane Details zeigte. Und dass man sich um nichts kümmern musste. Laufen, slowly, slowly, Adilbek zeigt den Weg, ankommen und ein gutes Essen hingestellt bekommen und erschöpft und zufrieden schlafen. Herrlich. 

Unser Guide Adilbek ist eine Seele von Mensch, sehr zurückhaltend, immer lächelnd und er liebt die Natur. Als wir auf der Tour Kinder begegneten, die Plastik weggeworfen hatten, hielt er ihnen eine triftige Strafpauke. Müll in der Natur sammelte er überall gleich ein. Und uns machte er ständig den Weg frei: falls ein Ast in den Pfad hing, machte er ihn weg, wenn ein großer Stein auf dem Weg lag, rollte er ihn auf die Seite. 


Samarkand

31.5.25

Unsere letzte Station in Usbekistan wurde Samarkand. Das hat man bestimmt schon mal gehört und ich hatte mir auch schon so einige Vorstellungen gemacht. Der Registan, ein Platz mit den drei Medressen und Moscheen ist wirklich wunderschön. Die Gebäude sind so filigran und über und über mit den Kachelmosaiken geschmückt. In den Innenhöfen ist jeweils noch der schattige Platz und die vielen geschäftigen kleinen Läden oder Lehrzimmer zu sehen. Auch das Mausoleum von Amir Temur ist sehr imposant mit all seinem Gold.

Abends gab es eine bunte Beleuchtung und eine Lasershow, die die Geschichte Usbekistans erzählte, das was sehr sehenswert! Auf den Treppen sitzen und diese tolle Kulisse wirken lassen war mein Highlight in Samarkand. 
Daneben sind wir natürlich noch über den obligatorischen Markt geschlendert und von ein paar anderen Moscheen, Mausoleen oder Medressen vorbei. Vieles ist tatsächlich rekonstruiert und gar nicht original erhalten. Die Sehenswürdigkeiten sind großflächig in der Stadt verteilt, die ziemlich modern und sowjetisch gebaut ist, was dem ganzen irgendwie die Magie nimmt. Allgemein fanden wir, dass es nicht so charmant war wie Buchara. 
Von hier aus machen wir uns auf den Landweg nach Tadjikistan, wir sind gespannt!


Reiseramsch Usbekistan 

3.6.25

Julian: 

sträflich verspätet - wir sind schon seit zwei Tagen in Tadschikistan - kommt hier als Abschluss unseres Usbekistan-Kapitels noch der Reiseramsch:

- es gibt hier Zebrastreifen, die teilweise über sechs Autospuren führen - und das ohne Fußgängerampel! Da fühlt es sich schon komisch an, wenn Dutzende Autos anhalten müssen, nur weil wir zwei Hanseln über die Strasse wollen... 

- usbekische Frauen schieben ihre Kinder sehr lange im Kinderwagen rum - wir haben geschätzt, dass die Kinder schon fünf oder sechs Jahre alt waren, die da wie die Paschas durch die Gegend kutschiert wurden! 

- man betet hier zu jeder Mahlzeit, jedoch nicht, wie bei uns, vor dem Essen, sondern danach. Dabei hält man die Hände offen nach oben, dankt Allah für die Speisen, und fährt sich dann über das Gesicht. Das sieht ein bisschen so aus, als würde man sich symbolisch das Gesicht waschen, aber die genaue Bedeutung konnten wir nicht herausfinden. 

- Im Restaurant wird man, ganz egal was man bestellt, immer gefragt ob man (nur) eines davon möchte. Ich bestelle ein halbes Kilo T Bone Steak, Kellner fragt: "One?" Caro bestellt einen Liter Limonade, Kellner fragt: "One?" Da frag ich mich, wieviele Steaks und 1L Pitcher der gemeine Usbeke ansonsten so bestellt 😊

- In Usbekistan wird vorgedrängelt! Zumindest empfinde das ich als Deutscher so. Steht man in einem Laden mehr als 20cm von der Ladentheke entfernt, kann man sich sicher sein dass jemand anderes kommt und sich vor dich stellt. Oder sie stellen sich, während du schon bedient wirst, neben dich und verlangen von der Verkäuferin wie selbstverständlich bevorzugte Behandlung. Erst dachte ich das machen die nur mit dummen Touris, aber auch untereinander scheint das niemanden zu stören. Ein Grund, warum ich vermutlich nicht hierherziehen würde... 


So, das war jetzt der letzte Bericht aus Usbekistan. Jetzt geh ich meine Füße waschen, und wenn ich wieder komme schreibe ich den ersten Bericht über Tadschikistan!