New Orleans


Work hard, Jazz hard


17.10.24

Julian:


Am vergangenen Sonntag sind wir nach einer knapp elfstündigen Busfahrt hier in der "Geburtsstätte des Jazz", in New Orleans angekommen. Dazu später mehr, aber ich berichte erst einmal von den Menschen, die wir hier getroffen haben:

Unsere erste Nacht haben wir im "Creole Garden Inn" verbracht, einem süß hergerichteten Gasthaus in der Innenstadt. Als wir gegen halb zehn abends dort ankamen, saß eine ältere schwarze Dame von kompakter Statur an einem Plattenspieler und hat für die Gäste RnB und Soul von den 50ern bis zu den 90ern gespielt. Dabei hat sie die Nummer immer herrlich kommentiert, mit Phrasen wie "Yes indeed" und "Sing it!". Da kam gleich schonmal gute Stimmung auf! Eine Minute später kam ein graugelockter, schlanker Mann herein und hat, als er uns gesehen hat, erstmal zwei Dosen Bier geholt. Wir erfuhren, dass die beiden zusammen das Inn leiten. Steve erzählte uns leidenschaftlich von Musikern wie Professor Longhair, die den New Orleans Jazz nachhaltig beeinflusst haben. Und beim Frühstück konnte ich mit einem Creole-Sänger sogar eine kleine Jazzeinlage auf die Beine stellen. Als Steve erfuhr dass ich Musiker bin, lud er uns kurzerhand zu einem Privatkonzert abends ein, bei dem ein echter New Orleanser Boogiepianist für die Gäste des Inns gespielt hat. Ein guter Start für unseren Aufenthalt hier! 

Am zweiten Tag startete unser erstes "Workaway" unserer Reise. Auf der Internetseite workaway suchen Menschen und Organisationen Helfer für allerlei Aufgaben und bieten im Gegenzug Kost und Logis an. So kam es, dass wir bei Bill landeten, einem Helikopterpiloten im Ruhestand, der gesundheitsbedingt nicht mehr alle Arbeiten im Haus selbst erledigen kann. 

Unsere erste Aufgabe war bzw. ist es, die alte Holzterrasse im Garten zu renovieren und die Beete auf Vordermann zu bringen. Und ich muss sagen, nicht nur macht es uns einen Riesenspaß handwerklich zu arbeiten, ich bin auch positiv von meinen handwerklichen Fähigkeiten überrascht! Ein ausgebildeter Handwerker würde an dieser Stelle nur müde lächeln, aber für mich ist es toll, handwerkliche Probleme und Aufgaben gemeinsam mit Caro zu meistern - und am Ende dann mit einem sichtbaren Ergebnis belohnt zu werden!  

Nicht nur bietet Bill uns ein Bett, er ist auch ein herausragender Kenner der hiesigen Küche und führt uns von einem Restaurant zum anderen, wo wir die lokalen Spezialitäten genießen können. Und egal wo wir sind und was wir essen wollen, "He knows a place" ganz in der Nähe! In allen amerikanischen Staaten, in denen wir bisher waren, gabs halt Burger und Steak, aber kein spezielles Gericht, das man mit dem Staat verbindet. Das so genannte "Cajun Food" hingegen hat eine Reihe von Gerichten und Köstlichkeiten! Hier ein paar Dinge, die wir bereits probieren durften:

- Rice & Beans: Reis mit Bohnensoße. Eines der alltäglicheren Gerichte hier

- Po Boy: Spezielles, baguetteähnliches Brot mit Zupffleisch, Salat und Majo drauf. Sehr lecker, aber auch sehr siffig und unmöglich zu essen!

- Gumbo: Ein Eintopf mit Fleisch- und Wurststücken, der deftig gewürzt

- Jambaylaya: Reisgericht mit Hühnchen, meist scharf gewürzt

- Crawfish Etouffée: Reiseintopf mit Eisgarnelen und einer speziellen Gewürzmischung - eins meiner Highlights bisher!

- Beignets: Schmalzgebäck mit viel, viel Puderzucker drüber. Eins meiner süßen Highlights bisher!

- Hubigs Cake: Fruchttaschen der Firma Hubig, die nach Hurrikan Katrina fünfzehn Jahre lang gebraucht hat um wieder auf die Beine zu kommen, unter anderem, weil die Original Geräte, die den Kuchen so besonders gemacht haben, den Fluten zum Opfer fielen. Seit einem halben Jahr gibt es sie wieder, und sie sind heiß begehrt!  

Caro:


Musik ist hier einfach überall: 


Gunhild und das Haus Sazerac 

23.10.24

Julian:


In den letzten Tagen ist einiges passiert, und wir konnten viele schöne Dinge von unserer Liste streichen. Aber der Reihe nach:

Letzten Freitag: Unser Gastgeber Bill nimmt uns mit aufs "Oktoberfest", das hier im deutschen Haus in New Orleans gerade läuft. Er selbst hat seine Wurzeln in Hessen und ist Mitglied der deutschen Gesellschaft hier, deshalb konnte er uns Freikarten besorgen. Wir waren positiv überrascht, wie nahe am Original das Fest war -auch wenn der ein oder andere Fauxpas (#Bitte ein Bit") übersehen werden musste. Aber manch ein Besucher hatte eine echtere Tracht an als der Großteil der Münchner Wiesnbesucher! Und als die Band auf der Bühne dann auch noch herrlich akzentbehaftet das Fliegerlied gesungen hat, waren wir restlos begeistert! 

Danach gings weiter in den "Fritzels Jazz Club", ein altehrwürdiger Laden, der scheinbar auch Verbindungen nach Deutschland hat: 
Es spielte die Fritzels All Star Band, mit einer Gastmusikerin. Und hier habe ich mich neu verliebt - zumindest musikalisch. Ihr Name ist Gunhild Carling, Posaunistin, Sängerin, und kurz gesagt eine Naturgewalt. Ich meine, der Jazz, den die Band gemacht hat, hat sowieso schon voll gerockt, aber wenn Gunhild mit einem Posaunensolo losgelegt hat - Halleluja!

Hier ein Video von ihr in Aktion, damit ihr euch ein Bild machen könnt :

Dass wir gerade dann in diesem Jazzclub sind, wenn eine solche Jazzgröße spielt, und dann auch noch in so einem urigen und intimen Setting - das hat uns mal wieder mit großer Dankbarkeit erfüllt!


Samstag: gegen 7 Uhr abends stellen wir uns an die Tchoupitoulas Street und schauen der "Krewe of Boo" Halloween Parade zu. Man sagte uns, dass Mardi Gras genau so ist, nur halt noch eine Nummer größer. Soll also heißen wir müssen uns nicht einmal mehr grämen, dass wir nicht zum New Orleanser Fasching gekommen sind, den haben wir hier auch so erlebt 🙂

Neben großen Autokolonnen und Paradewägen gibt es auch viele Tanzgruppen, die überwiegend Burlesque Tanz aufgeführt haben. Das Schöne daran: der Großteil der Tänzer und Tänzerinnen sind eben nicht jung und trainiert, sondern jenseits der 50 und eher durchschnittlich beweglich. Aber allen hat es so eine Freude gemacht mitzutanzen, dass es so viel schöner anzusehen war! 

Nach der Parade fahren wir in das Inn unserer ersten Nacht zurück, Steve, der Herbergsvater, hatte wieder ein Privatkonzert mit Mitch Woods organisiert. Und dieses Mal darf ich sogar mit dem Meister ein paar Nummern spielen! 
Sonntag Abend: Bill und Tascha nehmen uns mit zum Austernessen, in ein kleines, schon beinah unscheinbares Schlauchlokal. Die gegrillten und mit Käse überbackenen Austern waren schon verdammt gut! Den Abschluss des Abends bildet ein "Sazerac", angeblich der älteste Cocktail der Welt, den wir in der gleichnamigen Bar im Nobelhotel Roosevelt zu uns nehmen. Neben der Bar zeigt mir Bill den "Blue Room", in dem Größen wie Louis Armstrong und Theolonius Monk regelmäßig gespielt haben. 

Montag: Wir möchten uns bei unserem Gastgeber für seine Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft bedanken und bereiten für abends eine "Brotzeit" vor. Auf der Speisekarte stehen: selbst gebackenes Sonnenblumenkernbrot und Kürbiskernsemmeln, Kartoffel-Gurkensalat, Wurstsalat, Obatzda und Brotzeitplatte. Das Getränk dazu war natürlich ein Radler, das aber nicht von allen Gästen gleich überschwänglich aufgenommen wurde. 

Die Tage darauf haben wir es dafür geruhsam angehen lassen. In den nächsten Tagen stehen auf dem Programm: eine Airboat Tour in den Sumpf, eine Schaufelraddampferfahrt auf dem Mississippi und ein klassisches Konzert. Wir werden berichten! 

Fleißige Handwerker in Taylorween

28.10.24

 Die letzten Tage haben wir vormittags immer ein bissl rumgewerkelt und was aus dem Garten geworden ist, gefällt uns ganz gut. Und dabei Rasentraktor fahren oder Liegestuhl testliegen, was will man mehr. 

Bill ist der großzügigste Gastgeber, den man sich vorstellen kann. Er ließ uns sogar in seinem Haus wohnen, während er mit seiner Clique in Texas war um ein Footballspiel zu schauen. Gott sei Dank, New Orleans steht gerade Kopf, weil Taylor Swift in der Stadt war und drei Konzerte gab. Die wenigen übrigen Hotelzimmer schossen ins Astronomische. Halloween ist dieses Jahr in New Orleans in "Taylorween" umbenannt worden- tausende kreischende Frauen aller Altersklassen in knappen Glitzerkleidchen sind aber wirklich eine creepy Vorstellung! 

Außerdem hat Bill alles daran gelegt, dass wir sämtliche Sehenswürdigkeiten der Stadt erleben können. 

Also waren wir auf einer Swamp Tour mit einem kleinen Boot unterwegs umd haben uns die Sumpf-und Marschlandschaft um New Orleans angeschaut mit all ihren tollen Bewohnern - sogar einen Alligator haben wir gesehen, er hat sich faul gesonnt. 
Das WWII-Museum fand ich besonders spannend-ein riesiges schickes Hochglanz-Museum über die Aktivitäten der USA im Zweiten Weltkrieg. Einiges davon war uns sogar neu - und natürlich ist es interessant das einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Der Präsentationsstil als Heldengeschichte war für uns aber etwas befremdlich. 

Ich lass mir natürlich auch keine Gelegenheit entgehen, das Orchester vor Ort zu hören. Dankenswerterweise durften wir das Abo des Nachbarn Jeff nutzen und genossen ein tolles Symphoniekonzert mit französischem Programm - Ravel Klavierkonzert, nette Sachen von Ibert und Tailleferre und Respighis Pines of Rome. Tolles, gefälliges Programm, tolles Louisiana Philharmonic Orchestra und sehr charmante Einführung durch den Dirigenten und die Klaviersolistin höchstpersönlich. Was für ein Unterschied zu unserem gewohnten europäischen seriösen, seelentiefen und prätentiösen Anspruch an klassische Musik! 
Auch ein kleiner Schaufelraddampfercruise auf dem Mississippi durfte nicht fehlen  - das hat Bills Bekannte für uns klar gemacht. Eine sehr touristische Veranstaltung mit Jazzband und Dinner und Bar auf einem der letzten noch aktiven Raddampfer. Es hat aber erstaunlicherweise sehr viel Spaß gemacht, Jazzband hat tolle Musik gemacht und der Moderator hat besser als Frank Sinatra entertaint.

 Die Stadt an sich hat das French Quarter zu bieten, das älteste Viertel mit kleinen Häusern, herrlicher Architektur und dem Ballermann New Orleans. Und daneben viele weitere tolle Ecken, Parks und Straßen. Schade, dass wir zu Halloween schon nicht mehr da sind, in der Stadt, die besonders bunt und groß feiern kann. 

Wir genießen jetzt unseren letzten Abend mit Tasha und Bill und sind schon ein bisschen wehmütig - aber nur ein kurzes bisschen, morgen gehts nach Hawaii!