Indien


Meine Yoga-Journey
6.4.25
Caro

Seit einer knappen Woche bin ich jetzt schon im Adhiroha-Yoga-Ashram in Rishikesh, in Nordindien an den Füßen des Himalaya und gehe den steinigen Weg mein "wahres Ich" zu finden. Nach der Yoga-Philosphie ist unser wahres Ich das Göttliche in uns- da wir alle aus dem Göttlichen entstanden sind, ist in allen Lebewesen ein Teil des Göttlichen und durch diesen sind wir alle miteinander verbunden. Das ist doch ein unglaublich schöner Gedanke! Übrigens muss man kein Hindu oder Buddha sein, um das anzunehmen, die westliche (christliche) Philosophie erzählt genau das gleiche. 

Um dieses Göttliche (den Sinn im Leben, unsere Bestimmung) in uns zu finden hilft der Yoga-Weg: Gut sein und gutes tun. Und damit wir dazu bereit sind, müssen wir sowohl unseren physischen Körper (durch Sport, gutes Essen, gute Pflege), unseren Verstand (positive Gedanken, gute Bildung, gute Beziehungen und Verbindung mit der Natur) und auch unsere Spiritualität (Awareness, Meditation) gut pampern. Das wird hier im Ashram wahrlich getan!

Das Essen ist ayurvedisch, also meistens Reis, Curry mit Linsen oder ähnlichem, Kartoffel und Gemüse, Fladenbrot, Salat und Obst. Kein Fleisch, kein Kaffee, kein Zucker. Und das Wichtigste: volle Konzentration auf das Essen. Also keine Ablenkung oder Unterhaltung. Ob es daran liegt oder an den Nahrungsmitteln, auf jedenfall ist meine Verdauung so viel besser hier. Ablenkung gibt es hier möglichst wenig, kein netflix, kein Handy, keine Unterhaltung, nur Yoga-Bücher. Das Ashram ist umgeben vom Blick auf die Berge und viel Natur, morgens spazieren immer die Rehe, Affen und Pfauen umher. Die Lehrer sind alle Inder und wirklich sehr gut. Sogar mein kritisch-philosophisches Ego sagt das. Und wir bekommen ihre volle Aufmerksamkeit, denn in meinem fortgeschrittenen Kurs sind wir nur zu fünft. Die physische Praxis ist erstaunlich hart für mich. Mein Körper ist ja eigentlich an Yogaposen gewöhnt, aber unsere Lehrer fordern uns sehr, führen uns in fortgeschrittene Posen und legen ein Tempo vor. Ich spüre alle Teile meines Körpers. 

Bisher konnte ich schon einige Prozesserscheinungen feststellen, ich bin ja gespannt, welche physikalischen und emotionalen Breakdowns noch kommen. Diese sind eine völlig normale Nebenerscheinung einer solchen Umpolung der Konzentration, wie unsere Lehrer nicht müde werden zu betonen.  


like a Bollywood-movie
14. April 

Jetzt bin ich schon zwei Wochen hier, die Zeit vergeht im Flug. Ein Lehrer meinte, die Yoga-Ausbildung im Ashram ist wie ein Bollywood-Film: Zu Beginn alles happy, Glitzer und Tanz, am Schluss bombastisches Happyend mit noch mehr Glitzer und dazwischen kommt das ganze Drama. (oder die Langeweile, auf jedenfall bei mir, wenn ich so einen Film sehe). wir sind also gerade in der schwierigen Phase. Und natürlich kommt bei lauter Mädels auf einem Haufen auch schon mal Drama auf. Jetzt ist Disziplin gefragt. Die großen Muskel, die am Anfang steif waren, sind gelockert und gedehnt, jetzt merkt man die tiefen, kleinen Muskeln von denen man nicht einmal wusste, dass sie existieren. Dafür aber ziemlich schmerzhaft sein können. 
Aber unsere Lehrer sind großartig, sie verstehen uns wirklich alle an der Stange zu halten mit täglich so viel neuem Wissen und kleinen Fortschritten in den Asanas.  

Zwischendrin bekommen wir auch immer wieder kleine Highlights geboten, wie eine frühmorgendliche Meditation am Bach, ein Hinduritual am Ganges (mit freiwilligem Dip, ich hab verzichtet) oder einen Sonnenaufgang am Tempelberg. 
Aber diese ganzen Verrenkungen in den Asanas machen wir ja eigentlich nur, damit unser mind zur Ruhe kommt. bisschen wie mens sana in corpore sano. Das ultimative Ziel ist nicht die intermediate series zu schaffen, sondern seinen Körper und seinen Atem so in Form zu bringen, dass man möglichst gut meditieren und zum wahren Selbst finden kann. Auf meiner Suche in meinem Inneren bin ich neben vielen Verspannungen und Rückenschmerzen beim Im-Schneidersitz-sitzen auch schon auf so einige schlechte Eigenschaften oder Eigenheiten gestoßen, an denen ich jetzt arbeiten möchte. 


Lord Sun, sei gegrüßt!
21.4.25

Ostern haben wir im Ashram auf die Yoga-Weise begangen: wir haben die Sonne, hier der Lord Sun, gepriesen. Und zwar indem wir sie 108 mal mit dem Surya Namaskar, dem Sonnengruß im Hatha-Yoga gegrüßt haben. 108 ist eine heilige Zahl. 108 Kugeln hat auch der Mala, quasi der hinduistische Rosenkranz. Die Sonne fand das scheinbar gut, denn sie hat mit ihrem breitesten Lächeln auf uns niedergeschienen und uns bei 36 Grad ganz schön ins Schwitzen gebracht. Aber der Gruppengeist und die Energie waren so stark, dass sie uns alle durchgetragen haben.

Die durchgetaktete und anstrengende Tagesroutine ist mir mittlerweile sehr lieb geworden. Was gibt es schöneres als vor dem Sonnenaufgang die frische Natur zu spüren und Atemübungen zu machen. Ich spüre mittlerweile auch, dass das nicht nur fancy Atemverrenkungen sind, die man machen kann, sondern dass die Konzentration auf den Atem und der Atemfluss an sich einen so großen Einfluss auf meine Gedanken haben. Der Körper ist nun so gut aufgewärmt, dass er sich auch in schwierige Asanas bringen lässt. Und wenn unser Philosophielehrer mit "frankly speaking" beginnt, freuen wir uns immer auf einen kleinen Exkurs, nachdem mir öfters Tränen in den Augen stehen, weil er die Wunder des Lebens und die simple Schönheit unseres Menschseins in so starke Worte packen kann. 

Daneben lernen wir in Anatomy und Physiologie nicht nur viel über den Körper, sondern auch, welche Schmerzen oder körperlichen Probleme man mit welchen Yoga- oder Atemübungen kurieren kann. Ein bisschen lernen wir auch über die ayurvedische Medizin. Und besonders spannend für mich, was Ernährung in unserem Körper macht und wie wir mit den richtigen Nahrungsmitteln und der richtigen Essweise diesen Prozess besser für uns nutzen.  

Nach einer frühmorgendlichen Session am Ganges, bei der wir bei Pranayama und Asanas das fließende Wasser anmeditiert haben war dann auch der Dip im Ganges fällig. Wirklich erfrischend (das Wasser kommt direkt aus dem Schnee vom Himalaya) und bei dem Wetter so energetisierend!
Das schwierigste für mich gerade im Ashram ist tatsächlich nicht, dass es keine Privatsphäre gibt-für mich als WG-Fan nichts Neues, oder dass es keine Unterhaltung gibt, sondern dass der Zeitplan so eng ist und alle Aktivitäten erfordern, mit den Gedanken im Moment da zu sein, dass es quasi keine Zeit gibt, in der meine Gedanken in ihre Fantasiewelt abschweifen können und ihre fiktiven Geschichten spinnen können. Nichts nettes für Hirn, immer nur der unglaublich reale "present moment". 


Komplette Grundreinigung bitte!
24.4. 

Sauber ist gesund und die Yogapractice nimmt sich das zu Herzen: Hier wird der Körper nicht nur aussen, sondern auch innen gründlichst gereinigt.
Zuerst haben wir unsere Nase durchgespült, das sogenannte Jal Neti. Dabei füllt man sich mit einem kleinen Fläschchen von einem Nasenloch warmes Salzwasser ein und lässt es vom anderen Nasenloch wieder rauslaufen. Und mit dem Wasser kommt alles mögliche an Staub und Rotz mit raus. Danach wird sich kräftig durchgeschneuzt. Davon werde ich glaube ich ein kleiner Fan, das hilft super die Nase und die Nebenhöhlen freizukriegen.
Stufe 2 in der Reinigung der oberen Atemwege ist das Sutra Neti, dazu braucht man eine eingeölte Gummischnur. Die steckt man sich in ein Nasenloch und arbeitet sich damit hoch, durch das Nasenbein hindurch (erste kritische Stelle, mit einiger Geduld ist das zu machen) dann schiebt man die Schnur weiter, bis sie in der Mundhöhle wieder rauskommt. Von da kann man sie mit seinen Fingern aus dem Mund ziehen und wie beim Klarinetteputzen hin und her ziehen. Bei mir war allerdings Schluss, als die Schnur in der Mundhöhle ankam und da meinen Übergebe-Reflex gekitzelt hat. Nur was für starke Nerven.  

Auch der Magen und die Speiseröhre lässt sich mit Salzwasser durchspülen. Dazu trinkt man schnell 6-7 Gläser warmes Salzwasser, dann kitzelt man seine Zunge und los gehts. Das war ein fröhliches Bild des Gruppenkotzens im Küchengarten. Nach einiger Anspannung zu Beginn ging das mit der richtigen Entspannung und etwas Massage des Magens erstaunlich zügig vonstatten. Neben dem Wasser kommt da auch so einiges mit raus, was man nicht mehr in seinem Körper braucht. Jetzt brauch ich allerdings erstmal ein bisschen Ruhe und ein stilles Örtchen für mich;)


Zertifizierte Yogalehrerin, huhu! 

28.4.

...in einer kleinen intimen aber  sehr stimmungsvollen Zeremonie haben wir jetzt am Ende des Kurses unsere Zertifikate bekommen. 500h Yogalehrer-Ausbildung. Die letzte Woche war dann auch ereignisreich, wir haben in den Asana-Klassen an unserer Gruppe das Leiten einer Yogastunde geübt und mussten uns dazu auch stimmige Sequenzen zu bestimmten Themen oder Muskelgruppen erstellen. Eine so hilfreiche Erfahrung für später mit super unterstützendem Feedback unserer tollen Lehrer und der Gruppe. Abends, zwischen Abendessen und dem Duschspot versuchte ich für die Prüfung am Ende dann noch möglichst viel von dem schier unendlichen Wissen unserer Philosophie-und Pranayama-Lehrer zu wiederholen. 

Dann war auch schon das Abschiednehmen von unseren Lehrern dran. Gerade hätte die Zeit hier noch einmal mindestens einen Monat weitergehen können. Es gibt noch so viel zu lernen! Aber egal wie lang ich in dem Ashram bleibe, das wird immer so sein. Also ist irgendwann loslassen angesagt und ab jetzt kann alles in mir nachhallen und hoffentlich irgendwann Früchte tragen. 

Das Verabschieden von meinen tollen Roommates und unserer Gruppe war dann auch auf der einen Seite sehr traurig und auf der anderen auch gerade richtig. Am Abend schon gings für mich ab nach Delhi und von dort nach Tashkent und ab in ein völlig neues Kapitel.

Fazit: Mein wahres Ich und die Erleuchtung habe ich nicht gefunden;) Aber viele wertvolle Dinge und Denkperspektiven, die ich diesen Monat gelernt, mir antrainiert und mir liebgeworden sind, werde ich auf jedenfall auf den weiteren Lebenslernweg mitnehmen. Ich spüre gerade einen unglaublichen Schub auf dem Yogi-Lifestyle-Weg und eine tolle Motivation tatsächlich Yogastunden zu unterrichten, irgendwann in naher Zukunft.