Roadtrip mit Hindernissen

30.06.2019

Außer einer Vielzahl von Nationalparks mit Lemuren drin gibt es auf Madagaskar noch eine weitere Sehenswürdigkeit: Die "Baobab-Allee", in der ein Haufen afrikanischer Bäume rumstehen. Man kommt da aber nur mit dem Auto hin, und die Fahrt für die insgesamt etwa 600 Kilometer dauert knappe 12 Stunden. Das das Reisen in Madagaskar so langsam vorangeht, hat mehrere Gründe. Zum einen tummeln sich in jeder Stadt hunderte von Menschen, Ochsen, Ochsenkarren, Ochsen mit Karren, Menschen mit Ochsen, Menschen mit Ochsenkarren ohne Ochsen (kein Witz) und und und. Und weil es keine Gehsteige gibt, belegen die halt zwei Drittel der Straße. das mittlere Drittel dürfen sich die Autos und LKWs aus zwei Richtungen teilen. 

Außerdem gibt es noch eine landschaftliche Besonderheit hier: tausende langer und besonders tiefer Canyons. Die findet man hier auf bzw. in den Straßen, weshalb die Fahrt zum Großteil einem Riesenslalom gleicht. An ganz schlimmen Stellen stehen Kinder, die Geld dafür haben wollen, dass sie die Löcher notdürftig mit kleinen Sandkastenschaufeln zuschütten. Irgendwie süß und traurig zugleich. Und zu guter Letzt tun die Leute hier auf den Fernstraßen gerne das, wofür Straßen eigentlich nicht gebaut wurden, wie etwa Reis zum Trocknen auslegen oder sich für ein Nickerchen darauf legen (wenn der Schatten, in dem man rasten möchte, nun einmal genau auf die Straße fällt...). Das sind also die Gründe, warum man hier nur mit Schnitt 50km/h vorran kommt. Und bei 600 Kilometern spürt man das schon deutlich...

Von Tana zu den Bäumen und zurück dauert es demnach etwa vier Tage. Aber ich hab ja eh nix Großes vor, also hab ich mir ein Auto gemietet und bin los. Man fragte mich verwundert, wo denn mein Fahrer sei. Da ich Auto fahren kann, dachte ich nicht, dass ich extra einen Fahrer für 60 Euro am Tag anstellen muss. Später stellte sich heraus, dass so einer echt praktisch gewesen wäre. Aber schön der Reihe nach.

Gester Etappe 2, von Antsirabe nach Morondave, etwa 7 Stunden Fahrt. Ich fahre mit halben Tank los und beschließe, bei der nächsten Tankstelle zu halten, man will allein in einem fremden Land ja kein unnötiges Risiko eingehen. 300 Kilometer später blinkt die Warnleuchte meines Tanks auf, ich fahre gerade durch Niemandsland. Mein Handy verrät mir, dass es zur nächsten Tanke noch 100 Kilometer sind. Scheiße, das schaffe ich nicht mehr. Ich schaue auf die Karte, in etwa 30 Kilometern kommt eine kleine Stadt, Ankillizato. Vielleicht kann mir ein Bauer etwas Sprit verkaufen oder so. Leider sind mein französisch und mein malagasy dürftig bis nicht existent, wie da nach einer Tankstelle fragen? Ich versuche es mit dem einzigen Fremdwort, das mir für Benzin einfällt: "Gasoline? Gasoline pour moi Auto?" Natürlich weiß keiner, was ich von ihm will. Wie auch, die meisten Bewohner sind noch nie in ihrem Leben Auto gefahren und wissen vermutlich noch nicht einmal, was Benzin ist. Nach ein paar Versuchen fragt ein Mann auf französisch zurück: "Gasoil?" Ich atme auf: Ja, Gasoil, genau! Er führt mich ein paar Meter weiter zu einer Apotheke. Doch ein Misverständnis? Aber nein, die Apotheke verkauft auch Sprit, in alte Trinkflaschen abgefüllt. Noch halb panisch lasse ich mir gleich mal 20 Liter einfüllen, damit ich auch ja zur Tankstelle nach Morondava komme.

Überglücklich darüber, eine kleine Krise abgewendet zu haben, fahre ich weiter. Nur, um drei Kilometer hinter der Stadtgrenze mit dem Wagen liegen zu bleiben: Blubb, Blubb, aus. Was ist denn jetzt los? Was haben die mir da eingefüllt? Es hilft nichts, ich muss zurück in die Stadt laufen und klären, was da schief gelaufen ist. Eine Frau am Straßenrand beobachtet die Szene und fragt mich netterweise, ob ich mir ein Fahrrad ausleihen möchte, was ich natürlich gerne annehme. Auf meinem Weg in die Stadt werde ich von allen Seiten bejubelt, als würde ich die Tour de France fahren. Offenbar ist hier noch nie ein "Vassi" auf dem Fahrrad vorbei gekommen...

Dem Apotheker die Sachlage erklärt, ich frage, was da schief gelaufen ist. Er spricht ein wenig englisch und ich erfahre, das "Gasoil" das französische Wort für "Diesel" ist. Was n Scheiß. Es beginnt ein Karussell aus Telefonaten, ich mit dem Verantwortlichen des Autoverleihs, der mit dem Apotheker, dann mit einem Stadtmechaniker etc. etc. Man beschließt, dass die Herren erstmal selbst versuchen, das Auto zu reparieren, soll heißen Diesel raus, Benzin rein. Drei Männer kriechen unter das Auto, nach 5 Minuten fällt der Auspuff ab. zehn Minuten später ziehen sie den komplett abmontierten Benzintank unter dem Auto hervor. Schlachten die da gerade mein Auto aus? 

Zwei Stunden später ist das Auto wieder zusammengebaut und mit Benzin befüllt, es lässt sich aber immer noch nicht starten. Nicht einmal, dass ich es zusammen mit zehn Kindern als Starthilfe einmal um den Dorfplatz geschoben habe, hat was gebracht. Neuer Plan, ein Mechaniker aus Morondava kommt, dauert etwas zwei Stunden bis der da ist. Also warten. Nach zweieinhalb Stunden (es ist mittlerweile halb neun und dunkel) kommen Toto und Hiers angefahren. Kurze Verwirrung macht sich in mir breit, denn der Mitarbeiter vom Autoverleih hat mir gesagt, dass ein zweites Team versuchen wird, mein Auto abzuschleppen, ich aber AUF KEINEN FALL mit denen mitgehen soll, sondern nur mit Toto, der alleine kommt. Ich bin kurz davor, in mein Auto zu hüpfen und mich einzuschließen. Ein Anruf klärt aber die Sache und Toto macht sich an die Arbeit. Nimmt den halben Motor auseinander, reinigt alle Leitungen, putzt alle Zündkerzen - das ganze Programm. Und tatsächlich: Eine dreiviertel Stunde später springt das Auto wieder an! Ich führe einen Freudentanz auf, stehe nun aber vor dem nächsten Problem: Ich muss auf jeden Fall nach Morondava fahren, weil es hier keine Hotels gibt, aber ich wurde davor gewarnt, bei Nacht zu fahren, weil Wegelagerer oft ahnungslose Touristen überfallen. Ich frage Toto, ob ich netterweise hinter ihm herfahren dürfte, nur zur Sicherheit, falls "was mit dem Auto ist". Also machen wir uns auf den Weg. Und tatsächlich: Nach etwa einer halben Stunde eine geschlossene Straßenschranke, daneben zwei Gestalten, einer mit Maschinengewehr, keine Uniformen. Ich verriegle alle Türen, mein Herz schlägt merklich höher. Der Mann geht zu Toto, wechselt ein paar Worte mit ihm, sie lachen einmal herzlich, dann geht die Schranke auf und wir dürfen passieren. Ich stelle mir vor, dass Toto sowas gesagt hat wie: "Lass den Mal, der hatte es heute schon schwer genug. Stell dir vor, der Depp hat Diesel in einen Benziner getankt! Hahahaha." Das Ganze passiert uns ein zweites Mal eine dreiviertel Stunde später, gleiches Prozedere. Mann bin ich froh, dass ich mit Toto gefahren bin! Elf Uhr dreißig, ich bin im erstbesten Hotel, habe mir den Tag vom Körper geduscht und falle tot ins Bett. Poah, geschafft!

Heute früh, ich mache ich mich auf den Weg, die Baobab - Bäume sind nur 15 Kilometer entfernt. Auto springt nicht an. ERNSTHAFT? Also nochmal Toto angerufen, er war gerade dabei, sich für die Kirche fertig machen. Stattdessen zu mir gekommen und mein Auto in seine "Werkstatt" abgeschleppt:

Das steht es nun und wird hoffentlich in der Minute, in der ich diese Zeilen schreibe, endgültig und ein für alle Mal repariert. Mein Flug nach Chile geht nämlich in vier Tagen, und bis dahin muss ich 600 Kilometer zurücklegen - das wird sauknapp!

Aber wenigstens hat mich Hiers, Totos Kollege, mit seinem Auto zu den Baobab-Bäumen gefahren. Und deshalb, als versönlichen Ausgang dieses Blogeintrags, hier die wunderschönen Fotos von den wunderschönen Bäumen - der Preis dafür war auch hoch genug!